Das Ende der Krypto-Börse

Der Fall von FTX – Krypto war nicht das Problem, es ist die Lösung

decentralist.de · Uhr
Quelle: Lightman4289/Shutterstock.com

Es ist nun gut eine Woche her, seit der Krypto-Sektor durch einen Kampf der Giganten und den Fall eines der größten Krypto-Imperien einmal mehr in seinen Grundfesten erschüttert worden ist. Mittlerweile hat sich der Staub ein wenig gelegt und es ist klar: das ist das Ende der US-Krypto-Börse FTX.

Nachdem Binance, die größte Krypto-Handelsplattform der Welt, und dessen CEO Changpeng Zhao mit einem einzigen Tweet den Stein des Untergangs ins Rollen gebracht haben, wurde am Ende doch die Entscheidung getroffen, FTX nicht zu übernehmen, nachdem dies nach einem Hilfegesuch des (nun ehemaligen) FTX-CEOs Sam Bankman-Fried im Raum gestanden hatte.

Die Hoffnung war groß, dass Binance einspringen und die Löscher stopfen könnte, um die vielen Privatinvestoren zu retten, die Kunden bei FTX sind und deren Kapital nach dem Fall der Börse immer noch eingefroren ist. Doch nach einem Blick in die Bücher der US-Börse hat Binance schnell sein Veto ausgesprochen. Die Liquiditätslöcher in dem Balance Sheet der Börse sind mit unglaublichen 8 Milliarden Dollar noch signifikant größer als befürchtet. Ein Paket, welches anscheinend auch der Branchen-Primus Binance nicht zu stemmen in der Lage ist.

FTX hat verloren 

Die Geschichte hat hohe Wellen geschlagen und ist auch durch sämtliche traditionellen Finanz-Medien gegangen. Hier deswegen nur noch einmal eine kurze Zusammenfassung: Die Krypto-Börse FTX und die Investment-Firma Alameda Research, die Trading im Krypto-Sektor betrieben und Venture-Capital-Investments in junge Krypto-Projekte gesteckt hat – und die beide von Sam Bankman-Fried gegründet und in den letzten Jahren zu einem der größten Krypto-Imperien im Sektor aufgebaut wurden – standen in einem sehr engen – und wie sich nun herausgestellt hat, illegalen - Verhältnis zueinander.

Sam Bankman-Fried hat immer wieder betont, dass auf FTX keine Kundengelder verwendet werden, um in irgendeiner Form am Markt zu spekulieren oder diese als Deckung für Kredite herzunehmen. Das hat jedoch, wie sich nun herausgestellt hat, nicht für Alameda Research gegolten, die genau das in großem Stil mit FTX-Assets getan haben. Ein Bericht über die besorgniserregende Illiquidität von Alameda Research von vor ein paar Wochen hat den initialen Stein des Anstoßes geworfen, der die Börse Binance dazu veranlasst hat, ihre Bestände an FTX-Token (FTT) abstoßen zu wollen.

Binance war ein früher Investor in FTX und saß noch auf FTT-Beständen in Höhe von damals einer halbe Milliarde Dollar. Binance-CEO Changpeng Zhao hat in einem Tweet öffentlich gemacht, die Bestände nun aufgrund der aufgekommenen Sorgen über Liquiditätsprobleme von Sam Bankman-Frieds Unternehmensgruppe nach und nach veräußern zu wollen. Kurz gesagt: Dieser Tweet hat zu einem Bankrun bei FTX geführt, da die Anleger in Sorge um ihr Kapital auf Nummer Sicher gehen wollten. Und wie heißt es so schön - wenn die Flut der Ebbe weicht, dann sieht man, wer ohne Hosen schwimmt.

Wasser predigen, Wein trinken 

Es wirkt sehr eindeutig, dass Binance-CEO CZ diesen Tweet nicht nur aus Gründen der von ihm immer wieder geachteten Transparenz abgesetzt hat, sondern weil er seiner direkten Konkurrenz damit schaden wollte. Dass dieser Tweet die Sorgen um Probleme bei FTX befeuern würde, war offensichtlich. Hinzu kommt das ohnehin bereits angespannte Verhältnis zwischen den beiden CEOs.

Während CZ sich bisher eher auf das Wachstum seiner Plattform und einer User first, Regulatoren second Strategie konzentriert, war SBF offiziell ein großer Befürworter einer strikteren Regulierung für den Krypto-Sektor – und hat sich damit innerhalb der dezentralen Bewegung des Sektors Feinde gemacht. Es wird gemunkelt – und von CZ in einem seiner Tweets mit einem Seitenhieb angedeutet – dass SBF auch direkt bei den Regulatoren gegen Binance lobbyiert hat. Dass dieser Tweet FTX komplett zu Fall bringen würde, damit hat jedoch auch CZ sehr wahrscheinlich nicht gerechnet. Das wahre Ausmaß der Löcher im FTX-Balance-Sheet war wohl vorher nur den FTX-Verantwortlichen bewusst.

Man könnte es fast schon ein wenig ironisch nennen, dass die Börse, die sich wenig um Regularien schert, als Sieger aus dem Kampf hervorgegangen ist und nun mit einem angekündigten „Proof of Reserve“ und ihrer Rolle als Branchen-Primus einen neuen Industrie-Standard einführen will, der den Sektor langfristig auch in Sachen zentralisierter Handelsplattformen um ein Vielfaches transparenter machen könnte, als den traditionellen Finanzsektor, während SBF, der öffentlich für Regularien plädiert hat und wohl eng mit der US-Politik verwoben war (seine Spenden in Höhe von mehreren Millionen Dollar während der Midterms sind hier nur ein Beispiel) und seine Börse FTX sich nun ebenfalls in die Reihe vieler gefallener Projekte eingliedern können, die absolut rücksichtslos, undurchsichtig und unkontrolliert mit Kundengeldern herumgespielt und nun alles verloren haben – zum Schaden hunderttausender Privatanleger.

Licht und Schatten 

FTX ist Geschichte, doch die Sache ist für den Gesamt-Sektor noch nicht vorbei. Ähnlich wie durch den Fall von Terra Luna im Sommer kommen nun nach und nach die Folgeeffekte zum Vorschein, den FTX und Alameda Research war ein gigantisches Konstrukt, welches eine tragende Rolle im Sektor gespielt hat. Nicht nur die Privatanleger, die Kunden bei FTX waren, sind zu Schaden gekommen.

Es waren auch sehr viele Investment-Unternehmen und andere Player aus der Branche auf die eine oder andere Weise in das Konstrukt involviert. Alameda hatte Verbindlichkeiten in Milliardenhöhe. Diese waren zu einem signifikanten Teil mit dem nun wertlosen FTT-Token gedeckt. Es werden sich nun große Löcher in vielen Balance Sheets befinden – diese werden nun nach und nach ans Licht kommen und für weitere Schmerzen sorgen.

Auch mittelfristig hat das FTX-Beben für einen erheblichen Reputationsschaden für den ganzen Sektor gesorgt. Der Krypto-Sektor kämpft seit jeher damit, einen Ruf als unseriöses Umfeld für Betrug, Projekte ohne Substanz und „Pump and Dump“-Schemata zu haben. Der Fall von FTX – einer augenscheinlich riesigen Firma, die sich um regulatorische Zusammenarbeit bemüht hatte und Stars wie Tom Brady für sich hatte werben lassen – ist nun ein weiterer Schlag für die Branche.

Institutionelle Investoren, von denen man im Sektor bereits seit Ende 2020 hofft, dass sie bald in Wellen in diesen immer noch jungen und chancenreichen Sektor einsteigen und den nächsten Schwung nach oben auslösen, dürften nach der FTX-Geschichte wieder von einer Menge Skepsis erfüllt sein. Von der ohnehin bereits drohenden Regulatorik, die in den nächsten Jahren ein schweres Tauziehen und eine der größten Herausforderungen für den Sektor sein dürfte, ganz zu schweigen.

Andererseits dürfte die Geschichte nun auch innerhalb der Branche für eine Besinnung sorgen und zu deutlichen Veränderungen führen. Das angekündigte „Proof of Reserve“ von Binance dürfte zum neuen Branchen-Standard werden. Bei „Proof of Reserve“ geht es darum, dass die Börsen ihre für Kunden verwahrten Krypto-Bestände on-chain nachweisen und somit immer gewährleistet ist, dass sämtliches Anleger-Kapital auch wirklich da ist und es nicht mehr zu einer Situation wie bei FTX kommen kann.

Das gestaltet sich als große Herausforderung, da es mehr braucht als lediglich den Nachweis der Bestände. Die eventuellen Verbindlichkeiten der Börsen müssen ebenfalls bei der Anzeige berücksichtigt werden, sowie die gleichzeitige Anonymisierung der einzelnen Anleger-Funds muss gewährleistet sein. Dennoch dürfte eine erfolgreiche Umsetzung des „Proof of Reserve“-Konzepts langfristig die Reputation des Sektors sogar stärken.

Krypto war nicht das Problem des FTX-Skandals, es ist die Lösung 

Denn hier muss man trotz der unfassbaren Gier und der kriminellen Dimension hinter dem FTX-Skandal auch eines klar sagen: Die Schuld lag nicht bei der Blockchain-Technologie oder Kryptowährungen. Der Fall von FTX wurde wie immer durch menschliches Versagen verursacht. Gier, Korruption und das – wie sich im Nachhinein erneut festgestellt hat – teilweise blinde Vertrauen der Anleger und des Marktes in FTX, Alameda Research und dessen Verantwortliche waren das eigentliche Problem.

Im Endeffekt hat FTX genau wie eine herkömmliche Bank im traditionellen Finanzsystem agiert und hat mit fraktionalen Reserven operiert. Das hat das Fundament für einen Bankrun gelegt, der dann auch gekommen ist. Der im Grunde einzige Unterschied? Es ist keine Regierung oder Zentralbank gekommen und hat FTX auf Kosten der Steuerzahler gerettet.

In der Decentralized Finance Welt ist so etwas schlicht und einfach nicht möglich. Sicher, DeFi ist immer noch in einem unglaublich experimentellen Stadium. Es passieren laufend Hacks und viele Projekte werden aufgebaut, deren Usecase schlicht nicht gut genug ist, um ihnen eine langfristige Daseinsberechtigung zu geben. Erhebliche Kursschwankungen und oft sogar der Totalverlust sind möglich und passieren immer wieder. Volatilität ist der Preis für den Aufbau dieser Infrastruktur.

Doch die Interaktion mit diesen dezentralen Handelsplattformen findet direkt über die eigene virtuelle Geldbörse statt. Es ist nicht nötig einen Account zu erstellen, einem Unternehmen seine Daten preis zu geben und vor allem muss man seine Vermögenswerte nicht in die Obhut und unter die Kontrolle eines zentralen Verwahrers geben. Man hat immer die vollständige Kontrolle über seine Assets und kann vollkommen autonom handeln. Diese Infrastruktur hat darüber hinaus keine Zugangsbeschränkungen, außer den Zugang zum Internet. Das ist der große Usecase von DeFi – und der Fall von FTX hat das noch einmal deutlich gemacht. Auch wenn es schwierig scheint, mit dem Krypto-Sektor besteht langfristig die Chance darauf, ein transparenteres, effizienteres, faires, nachhaltigeres und sichereres Finanzsystem aufzubauen als wir es derzeit haben.

Der jüngste Skandal und dieser Bärenmarkt sind also – meiner persönlichen Meinung nach – nicht das Ende für den Krypto-Sektor. Im Gegenteil, langfristig dürfte der Sektor enorm gestärkt daraus hervorgehen und sich weiterentwickeln – wie er das schon so oft gemacht hat. Bärenmarktkurse sind und bleiben daher in meinen Augen Kaufkurse in diesem Sektor.

Denken Sie langfristig

Alexander Mayer

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