Zeiten der Unsicherheit an der Börse: Wie viel Cash-Anteil sollte jetzt im Depot sein? Das sagen unsere Experten

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In den vergangenen Jahren galt angesichts der lockeren Geldpolitik und der immer weiter steigenden Asset-Preise das Motto „Cash is Trash“, doch das hat sich spätestens mit dem Beginn des Ukraine-Krieges geändert und das Sprichwort „Cash is King“ gilt einmal mehr. Zwar ist die Inflation noch immer außer Rand und Band, doch die Aktienmärkte wurden bereits mit der zum Jahreswechsel angekündigten Zinswende der US-Notenbank in die Tiefe gedrückt, da der Markt die neue Zinswelt einpreist.

Der ausgebrochene Krieg in Europa hat die Abwärtsspirale enorm beschleunigt. Solange keine Klarheit über den Ausgang des Konfliktes herrscht, wird die Volatilität die Märkte im Klammergriff halten und ein Boden ist noch nicht erkennbar. Nun ist Liquidität im eigenen Portfolio gefragt, da dies maximalen Handlungsspielraum ermöglicht. Wir haben einige unserer Kolumnisten und Marktexperten gefragt, welche Cash-Quote im eigenen Depot derzeit sinnvoll erscheint:

„Cash ist fesch – Wie hoch der Cash-Anteil jetzt sein sollte, hängt vom individuellen Anlegertyp ab sowie von seiner Depotstruktur (z. B. wo sind seine Stop-Loss-Limite für die Aktien?). Generell würde ich einen Anteil von mindestens 20 % Geld & Gold vorschlagen, lieber aber bis etwa 50 %.“

– Hermann Kutzer, Wirtschaftsjournalist und Finanzmarktexperte

„Meine Einschätzung der Märkte habe ich gelegentlich auch bei Ihnen formuliert. Die deftigste Aussage war im Januar: „Bargeld lacht!“ Deutlicher geht nicht. Warum?

Der Konflikt in der Ukraine kündigte sich mit dem berühmten Schreiben an NATO und US-Präsident an. Darauf reagierte der Westen mit keinem Wort und einem arroganten Nein. Damit war klar, dass Putin oder die Russen dies nicht hinnehmen würden.

Die Änderung der Geldpolitik der zwei Notenbanken lieferte die andere Seite der Analyse. Darauf ist mehrfach eingegangen worden. Somit hieß meine Konsequenz in der ersten Woche dieses Jahres: Das Börsenjahr 2022 wird eine Blackbox. Nun sitzen alle in der Blackbox und warten wohl auf Godot.

Cash ist King habe ich vielfach und ausführlich begründet. Zunächst mit 30 bis 40 % je nach Portfoliogewichtung der Techs und schließlich 50 % nur wenige Tage, bevor es krachte. Jetzt geht es um das Gegenteil:

Der wichtigste Begriff wird in den nächsten Tagen oder vielleicht Stunden das Wort Waffenruhe sein. Ab diesem Zeitpunkt beginnt die gleiche Erholung der Märkte wie vor exakt zwei Jahren, damals zwischen dem 17. und 21. März als Tiefstpunkt im DAX und der anschließenden Erholung, die Sie am besten in einem Chart nachvollziehen können. Dann gilt das Gegenteil: All-in in Aktien. Haben Sie den Mut, sich diesem Thema zu stellen?“

– Hans A. Bernecker, Aktien- und Finanzexperte und Gründer des Bernecker-Börsenbriefs

„Ich persönlich würde auf dem aktuellen Kursniveau grundsätzlich keine Liquidität mehr aufbauen. Man sollte in sein Depot schauen und die darin befindlichen Titel auf längerfristig intakte Geschäftsmodelle untersuchen. Es sollte das Aschenputtel-Prinzip gelten: Die Schlechten ins Kröpfchen, die Guten ins Depötchen. Man weiß zwar nicht, wie tief die Aktien noch fallen können. Doch ist davon auszugehen, dass auch dieser Konflikt zumindest längerfristig beendet sein wird. Den Untergang der Welt sehe ich trotz der Unberechenbarkeit des lupenreinen Despoten Putin nicht. Schon ein Waffenstillstand könnte die Börsen stabilisieren. Außerdem haben die Anleger keine vernünftige Alternative. Zinssparen ist mit einerseits wieder gefallenen Zinsen und andererseits mit steigender Inflation nicht lohnend. Und im Zwiespalt zwischen Konjunkturstützung und Inflationsbekämpfung wird sich die EZB immer für ersteres entscheiden. Überhaupt sind US-Aktien im Vergleich zu europäischen kriegsunabhängiger. Den Bestand abzusichern, ist aber eine Option, z.B. mit Teilschutzzertifikaten wie Discount- oder Bonuszertifikaten. Allerdings sollte man die vorhandenen Barreserven nicht anrühren bis mehr Klarheit bzgl. des Ukraine-Konflikts herrscht.“

– Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse, Baader Bank

„So unpopulär höhere Cash-Bestände in den letzten Jahren waren, zeigt sich nun ihre Bedeutung. Die Gewissheit, dass es an den Börsen immer nur nach oben geht, ist erst einmal vorbei. In der aktuellen Situation ist Handlungsfähigkeit an den Börsen oberstes Gebot. Wer voll investiert ist und über kein Cash verfügt, dem fehlt die Flexibilität zu reagieren und stark korrigierte Werte nachzukaufen. Die steigende Haltegebühr von Cash im Sinne einer zunehmenden Inflation muss da im Zweifel in Kauf genommen werden. Der Cash-Anteil am Depot sollte daher tendenziell ausgeweitet werden. Auch wenn es nur die wenigsten Investoren schaffen, wäre ein Cash-Anteil zwischen 10 – 20 Prozent als sinnvoll zu erachten.“

– Sven Wagenknecht, Chef-Redakteur und Co-Founder von BTC-Echo

„Anleger sollten generell immer eine Cash-Quote von 10 bis 20 Prozent im Depot haben, um bei Chancen zugreifen zu können. Je nach Marktlage sollte die Höhe gesteuert werden. Das heißt: In der aktuellen Phase sollte die Cash-Quote in Richtung 20 Prozent tendieren.“

– Markus Weingran, Redaktionsleiter onvista

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onvista-Redaktion

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