Amazon: War die Zahlenvorlage wirklich so beeindruckend? Die Freude der Anleger dürfte eher an einer bestimmten Ankündigung liegen

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Nach dem Desaster der vorgelegten Geschäftszahlen des Facebook-Konzerns Meta haben die Märkte mit Spannung auf die Vorlage von Amazon gewartet – und sind offensichtlich nicht enttäuscht worden. Die Papiere des Online-Händlers sind nachbörslich um bis zu 18 Prozent in die Höhe geschossen, was angesichts der enormen Marktkapitalisierung des Konzerns eine beeindruckende Bewegung der Bewertung ist.

Die Zahlen sind in der Summe jedoch wesentlich weniger beeindruckend als auf den ersten Blick vielleicht ersichtlich, denn vor allem die Beteiligung am Elektroautobauer Rivian hat Amazon einen starken Boost für die Bilanzen beschert. Die Freude der Anleger rührt eher von anderen Ankündigungen des Konzerns.

Die nackten Zahlen offenbaren auch bei Amazon mehr Gegenwind

Die Beteiligung an Rivian mit eingerechnet, durch die der Konzern bei dessen Börsengang im November einen hohen Sondererlös in der Bilanz verbuchen konnte, hat Amazon die Gewinnerwartungen im Schlussquartal bei weitem übertroffen. Der Überschuss betrug 14,3 Milliarden Dollar (12,5 Mrd Euro) und fiel damit fast doppelt so hoch aus wie vor einem Jahr.

Das Betriebsergebnis – das die Geschäftsentwicklung besser widerspiegelt – ging jedoch um fast die Hälfte auf 3,5 Milliarden Dollar zurück. Auch das Umsatzwachstum fiel für Amazons Verhältnisse recht mager aus. Die Erlöse kletterten um neun Prozent auf 137,4 Milliarden Dollar. Für das laufende Vierteljahr rechnet das Unternehmen mit einem Umsatz zwischen 112 Milliarden und 117 Milliarden Dollar, was einem Anstieg zwischen drei und acht Prozent gegenüber dem Vorjahreswert entsprechen würde. Analysten hatten mit einer höheren Prognose gerechnet. Dafür floriert Amazons Cloud-Geschäft mit Speicherplatz und Anwendungen im Internet weiter. Das Flaggschiff AWS steigerte die Erlöse im Quartal um 40 Prozent auf 17,8 Milliarden Dollar und schaffte einen überraschend hohen Gewinn von 5,3 Milliarden Dollar.

„Wie erwartet, hatten wir höhere Kosten, angetrieben durch Engpässe am Arbeitsmarkt und Inflationsdruck“, erklärte Amazon-Vorstandschef Andy Jassy im Geschäftsbericht. Diese Probleme dürften aufgrund der grassierenden Omikron-Virusvariante auch im laufenden Vierteljahr anhalten. „Trotz dieser kurzfristigen Herausforderungen bleiben wir optimistisch“, so der Manager weiter. Amazon hatte Anleger vor drei Monaten bereits vor milliardenschweren Zusatzausgaben aufgrund von höheren Löhnen, weltweiten Problemen in der Lieferkette und gestiegenen Frachtkosten gewarnt und auf maue Zahlen eingestellt.

Das Gesamtjahr im Überblick

Im gesamten abgelaufenen Geschäftsjahr steigerte Amazon den Umsatz um knapp 22 Prozent auf 469,8 Milliarden Dollar. Das Betriebsergebnis nahm um knapp neun Prozent auf 24,9 Milliarden Dollar zu. Amazon hatte aufgrund seiner Investitions- und Einstellungsoffensive deutlich höhere Ausgaben als im Vorjahr. Allein im vierten Quartal heuerte der inzwischen zweitgrößte US-Arbeitgeber hinter Walmart rund 140.000 Mitarbeiter an. Insgesamt hat Amazon weltweit nach eigenen Angaben mittlerweile mehr als 1,6 Millionen Beschäftigte.

„Prime“-Ankündigung lässt die Freude bei den Aktionären überwiegen

Letzten Endes dürfte es vor allem eine Ankündigung gewesen sein, die die Aktionäre überzeugt hat: Amazon will in den USA nun erstmals seit 2018 die Preise für seinen „Prime“-Dienst erhöhen. Der Service, der unter anderem Zugang zu kostenlosem Versand und Streaming-Diensten bietet, wird deutlich teurer: US-Neukunden sollen ab 18. Februar 14,99 Dollar statt 12,99 pro Monat und 139 Dollar statt 119 pro Jahr zahlen. Für bestehende Kunden greifen die neuen Tarife im März. Außerhalb der USA sind laut Amazon zunächst keine höheren Preise geplant. Allerdings gäbe es hier durchaus Spielraum. In Deutschland ist das „Prime“-Abo mit 69 Euro pro Jahr oder 7,99 Euro pro Monat bislang deutlich günstiger als in den USA.

Der stetig gewachsene Prime-Dienst von Amazon, der neben den Vorteilen fürs Online-Shopping mittlerweile auch eine ganze Menge an Entertainment bietet, darunter beispielsweise Prime-Video oder Vorteile beim Streamingdienst Twitch, lässt für die Zukunft noch eine Menge Potenzial bei Umsatz und Gewinn offen, da weitere Preissteigerungen vor allem außerhalb der USA in den nächsten Jahren auf der Agenda stehen dürften.

Auch im Werbe-Geschäft macht Amazon immer mehr Geld

Eine weitere Neuerung: Amazon hat in diesem Quartalsbericht zum ersten Mal die Werbeeinnahmen explizit genannt. Im letzten Quartal hat der Konzern 9,7 Milliarden Dollar eingenommen, das sind 32 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Für das Gesamtjahr verzeichnete Amazon Werbeeinnahmen von mehr als 31 Milliarden US-Dollar. Das Werbegeschäft wächst seit Jahren, da Händler dafür bezahlen, dass ihre Produkte in der Suche höher gelistet werden.

Neue Gewerkschaftsabstimmung in den USA

Auf operativer Ebene muss Amazon sich jedoch erneut mit Arbeitnehmervertretern auseinandersetzen: Ab diesem Freitag muss der Online-Riese ein weiteres Votum über eine Gewerkschaftsvertretung über sich ergehen lassen. Vom 4. Februar bis zum 25. März können die Beschäftigten eines Logistiklagers in Bessemer in Alabama erneut abstimmen, ob sie sich der Gewerkschaft RWDSU anschließen. Sollten die Mitarbeiter sich dafür aussprechen, würde erstmals eine US-Gewerkschaft Einzug bei Amazon erhalten. Eigentlich war die Initiative vor einem Jahr bereits gescheitert. Doch die US-Arbeitsschutzbehörde NLRB befand, dass Amazon die Wahl unzulässig beeinflusst habe und lässt deshalb erneut abstimmen.

onvista-Redaktion/dpa-AFX

Titelfoto: alexfan32 / Shutterstock.com

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